Trilogie auf Frau Pohl lyrics
Trilogie auf Frau Pohl lyrics
Hymne auf meine Zimmerwirtin Frau Emma Pohl in Berlin SO36, Friedrichstraße.
Erster Teil der Trilogie: Andante
Im Zimmer ist Mief
Die Türe hängt schief
Es zieht mörderisch durchs Fenster
Und dann gibt's Gespenster
Die nachts hier tanzen
Und ein paar Wanzen
In den zerschlissenen Betten
Die Tapete ist nicht mehr zu retten
Hat Risse schon an allen Enden
Liegt allein an den schiefen Wänden
Drei Dielen liegen noch im Zimmer
Mit zweien wär es weitaus schlimmer
Dafür hat der Tisch nur zwei Beine –
Na ja, besser als keine
O, du himmlisch gemütliche Wohnstatt
Für 80 D-Mark im Monat
Alles inklusive, außer der Liebe
Denn Damenbesuch ist bei mir nicht drin
Hier bestimmt eine keusche Vermieterin
Auf Ihr Wohl
Alte, fette Frau Pohl!
Also, liebe Frau Pohl, nun kommen Se mal rein
Kommen Se nicht an den Tisch, der hat nur noch ein Bein!
Sie meinen, es war einfach grauenvoll
Was hier gestern abend passiert sein soll:
Sie sagen, ich hätte da drei Herren zu Besuch
Und aus meinem Zimmer drang Schnapsgeruch
Dann hätten wir was über Sie gesungen
Und dann hätt's wie zerschmetternde Möbel geklungen
Als ob Schränke zerbersten und Fenster zerschellen!
Frau Pohl, das kann ich mir gar nicht vorstellen!
Sie sagen, dann seien wir zu Ihnen gekommen
Und hätten uns erst richtig danebenbenommen?
Sie sagen, Herr Ofen goss im Delirium
Drei Flaschen Korn ins Aquarium
Herr Schobert habe, wie Sie sagen
Die letzten Dielen aus meinem Zimmer getragen
Und habe damit, als es kühl ward zur Nacht
Ein Feuerchen auf Ihrem Teppich gemacht
Mit den Worten: „Ach, die Alte, die wird's schon erlauben?“
Frau Pohl, das kann ich gar nicht glauben!
Beim Abschied schließlich, im Morgengrauen
Erlegte Herr Wader den Gartenzaun
Und die anderen seien auch erst gewichen
Nachdem sie Ihre Katze grün angestrichen!
Sie meinen, die Herren, die wären wohl nicht
So ganz der richtige Umgang für mich
Bei meinem Mietrückstand und dem Schaden
Da sollt ich sie heute Abend nicht schon wieder einladen?
Na schön, wir wollen uns nicht mehr böse sein
Ich lad Sie auf ein Glas Alka-Seltzer ein
Auf Ihr Wohl
Hochverehrte Frau Pohl!
Dritter und letzter Teil der Trilogie: Er sollte ursprünglich „Aussöhnung mit Emma Pohl“ heißen, hat sich dann jedoch Allegro furioso hineingesteigert, sodass ich letzten Endes doch umziehen musste.
Es klopft an meiner Tür um Mitternacht:
Das hält meine Tür natürlich nicht aus und zerkracht –
„Kommen Se rein, Frau Pohl, Vorsicht bitte sehr!
Hier gibt's nämlich jetzt gar keine Dielen mehr
Und man ist in diesen heiligen Hallen
Eh man sich versieht, durch den Fußboden gefallen
Was bringt mir die Ehre Ihrer Visite?
Probieren Sie's mal wieder wegen der Miete?
Nein! Wie Sie so von einem aufs andre Bein wanken
Da ahn ich's schon: Sie wollen sich bei mir bedanken
Dafür, dass meine drei Freunde und ich
In Ihrer Abwesenheit fein säuberlich
Den Flurschaden und das Kleinholz wegräumten
Von unserer Feier – Sie glaubten, Sie träumten
Als Sie die Betonmischmaschine fanden
Wo gestern noch Ihre Rosen standen
Herr Wader hat sich so geniert
Und darum Ihr Wohnzimmer neu zementiert
Und zum Zeichen, wie sehr er die Bombe bedauert
Hat er gleich noch zwei Wände dazu gemauert
Die machen jetzt aus Ihrem Wohnzimmer drei
Ein Tip unter Freunden: Vermieten Sie zwei!
Der Schnaps im Aquarium ist neutralisiert
Ihr Fisch wieder nüchtern und nur wenig lädiert
Auch Ihre Katze können Sie wieder anfassen –
Wir haben sie chemisch reinigen lassen
Aber um alles so schön zu gestalten
Mussten wir uns an Ihren Sparstrumpf halten
Doch nichts sollte Ihnen zu teuer sein
Für so ein gemütliches Eigenheim!
Auf Ihr Wohl
Hochverehrte Frau Pohl!“
- Artist:Reinhard Mey